Grundlegendes zu Rekonstruktionen
Ein Kommentar von gestern hat mir wieder in Erinnerung gebracht, das ich diesen Artikel schreiben wollte.
Rekonstruktionen bergen grundsätzliche Probleme in sich, vorallem wenn man nur sehr wenig über das ursprüngliche Gebäude weiß! Ich möchte das einmal am Fall der Marienkapelle erleutern.
Was wissen wir von ihr?
1.Wir kennen ihre Innenmaße und Außenmaße, wodurch wir natürlich auch die Mauerstärke kennen.
2.Wir wissen das sie geostet war und eine Apsis besaß, deren Maße ebenfalls bekannt sind. (Der von Gockel in Betracht gezogene eingezogen Rechteckchor ist Fallen zu lassen)
3.Wir kennen ihre Ersterwähnung, die da wäre 1277 als capella beatea marie
4.Wir wissen das die Kirche 1596 abgerissen wurde und auf ihren Mauern ein Schulhaus errichtet wurde, das wiederum 1839 durch einen Neubau ersetzt wurde.

Grundriss der Marienkapelle
So und da haben wir schon den Salad! Wir kennen zwar die die Maße des Gebäudes, von denen man schließen kann das es karolingisch ist (wovon auch ausgegangen wird) nicht aber eine genau Entstehungszeit, wodurch wir, was die Architektur angeht in einem luftleeren Raum von etwa 200 Jahren hängen!
Nun kann man sich die Maße noch einmal genauer ansehen und wird Paralleln in den Verhältnissen von Länge zu Breite und Apsisgröße versuchen zu finden. Im Fall Marienkapelle finden sich paralellen zu Ingelheim oder Aachen. Um genauer zu sein zu den dortigen Aulen.
Hier entsteht aber das nächste Problem: Wir wissen nicht welchem Zweck die Marienkapelle im 9. Jahrhundert diente! Es lässt sich natürlich spekulieren es handele sich um die frühere Aula Regia, da Anlagen mit 2 Kapellen eher selten sind und auch erst später auftreten, einen festen Schluß zu ziehen ist aber nicht möglich.
Dies war ein Problem meines Modells das ich letzter Zeit verwendete: Es war als verkleinerte Version des Aachener Saalbaus konzipiert und übernahm die von Aachen üblichen Wandgliederung, die sich wiederum an der römischen Palastaula von Trier orientiert. Damit impliziert es einen Anspruch als herrschaftlichen Regierungssaal, den ich aber nicht beweisen kann.
Folglich muss ich auf ein allgemeineres Modell umschwenken. Hierfür bietet sich wiederum eines meiner erstesn Modelle an, das ich nach Ingelheim gestaltet hatte und dem was man heute unter einer Kapelle versteht wesentlich ähnlicher wirkt.
Dennoch entstehen auch hier Probleme! Denn wir wissen immer noch nichts über die Höhe des Gebäudes! Geht man von Ingelheim oder Aachen als Grundmodell aus kann man zwar die Höhe in Verhältnis zu Länge und Breit setzen, aber wir werden wohl nie erfahren ob dies wirklich so war. In Aachen schließt man die Höhe aus Spuren am Granusturm, in Ingelheim durch die Reste der Kämpferplatten, die den Triumphbogen trugen.
Und noch ein Problem tut sich auf: Aachen und Ingelheim sind wiegesagt beides Aulen, und noch dazu die einzigen bekannten karolingischen Aulen mit einer Apsis! Also wenn die Marienkapelle dann doch eine Kapelle kann sie auch durchaus niedriger gewesen sein, in etwa so wie die vorsichtigen Rekonstruktionen der merowingischen Kapelle in Frankfurt des Archäologischen Museums Frankfurt.
So und hier nun einige Bilder zu verschiedenen Möglichkeiten um einige Variationen zu verdeutlichen:

Aula nach Aachen

Aula nach Ingelheim

Aula nach Frankfurt (doppelstöckig)

merowingische Kapelle
Alle Bilder haben nur Recht wenige Unterschiede (Fenster, Gebäudehöhe) und doch sind die Unterschiede stark erkennbar. Man könnte nun noch die Höhe der Apsis varieren, Dachschrägen verändern etc. Man sieht es ist also nicht ganz so leicht nur aus ein paar Grundmauern etwas zu konstruiren!
Vielen Dank für die unglaublich vielen interessanen Artikel im letzten Jahr. Ich weiß gar nicht, wie Du das neben der…
Ein kurzer Gruß von einem stillen Leser, mit den besten Wünschen fürs neue Jahr! Danke für dieses schöne inspirierende Blog!
Ja, hattest Du ja schon oben im Text geschrieben. Ich hatte es vergessen. Aber auch von dort hätte er rasch…
Wenn ichs richtig im Kopf habe war er in Worms, Lorsch, Salmünster und Weihnachten dann in Regensburg. Aachen wurde wohl…
PS: wenn Karl III zur Zeit des Überfalls auf Paris (November 885) noch in Ostfranken ist (ggf. Aachen, das ja…